Silvana E. Schneider
Autorin/Lyrikerin

Leseprobe Porträt

  

 

 

Der Bildhauer Florian Rödl

   Silvana E. Schneider

  

Ein über die Landesgrenzen hinaus bekannter bayrischer Künstler lebt zurückgezogen, fast möchte man sagen »inkognito« am Ammersee und in einem kleinen Ort in Österreich. Es ist der Bildhauer Florian Rödl.

Rödl schuf bereits die ersten Modelle für die Minimundus-Welt am Wörthersee: Die Burg Hochosterwitz und die Kirche Heiligenblut.

 Experten sind sich einig, dass diese Modelle zu den besten, dieser auf ihre Art einzigartigen Modellwelt, zählen. Einen Großteil der Außenarbeiten hatte Rödl innerhalb einer Projektgruppe mit schwer erziehbaren Jugendlichen durchgeführt.

»Wunderbar, wie diese jungen Menschen aufgegangen sind in ihrem Tun, man konnte die Freude spüren, mit der sie tätig waren«, erinnert sich der Künstler. Heute freilich gilt Florian Rödls Bemühen anderen Sorgenkindern. Sein Tonfigurenzyklus »Ali, der Meisterdieb« benötigt dringend eine adäquate Ausstellungsfläche. Zwar besteht kein Mangel an Interesse dieses einmalige Kunstwerk zu präsentieren, doch rechtfertigen die Angebote für die meist kurzfristigen Ausstellungen kaum den Aufwand für dieses umfangreiche Werk.

 Kunst in Form eines Märchens, wunderbarer kann der Zugang zur Kunst für Groß und Klein nicht sein. Da die Figuren aus ihrem Inneren sprechen sollen, schuf der Künstler eine Oberfläche, die ohne das Hilfsmittel der Bemalung wirkt. »Ich wollte weder zu abstrakt, noch zu naturalistisch gestalten«, erklärt der Bildhauer.

Was Florian Rödl hier geschaffen hat, bedarf keiner Interpretation. Ursprünglich war »Ali, der Meisterdieb« für ein Fernsehexperiment in die räumliche Dimension versetzt worden. Dieses größte modellierte Märchen der Welt war seither immer wieder auf Ausstellungen zu bewundern, u.a. auch im Kloster Benediktbeuern, wo es mehrere tausend Besucher erfreute. Erzählt wird die Geschichte von Ali, dem Meisterdieb, der im Grunde nur das Schlechte aus der Welt stiehlt, nämlich den sauren Ernst, die harte Eigenliebe, Betrug und Hinterlist. Und dem es gelingt, mit einem kleinen Zauberwort alle Hektik und Unruhe zu bannen.

Wer so inspiriert wurde, dass er selbst gestalten wollte, der konnte seine Ideen gleich am Modelliertisch umsetzen. Nicht wenige Besucher nahmen deshalb eine selbstgefertigte Erinnerung mit nach Hause. Solch ein Modelliertisch wäre auch für die geplante Dauerausstellung denkbar, da laut Rödl schon die reine Freude an der Gestaltung förderungswürdig ist. Freude ist denn auch die treibende Kraft im Werk des Bildhauers. Freude will er machen mit seiner Arbeit, seiner Kunst, darauf kommt es ihm an.

 Florian Rödl wurde 1936 in München geboren, hinein in eine Künstlerfamilie. Schon der Großvater war Steinbildhauermeister, der Vater Professor und akademischer Bildhauer, die Mutter Keramikmeisterin. Auch seine Geschwister schlugen die künstlerische Laufbahn ein, sein älterer Bruder als Steinbildhauer, seine Schwester als Keramikmeisterin und Kunstmalerin.

Doch zeigte sich seine eigene Bestimmung nicht so früh wie vermutet. »Was wird aus ihm wohl werden«, hieß es lange Zeit, so Rödl lachend. »Ich war ein freiheitsliebendes, wildes Kind, wollte immer nur in der Natur sein. Sehr lange wusste ich selber nicht, was ich eigentlich wollte«, erzählt er. Davon ist heute freilich nichts mehr zu spüren. Der gelassene, besonnene Mann wirkt in sich ruhend. Läßt ihn auch der künstlerische Schaffensprozess versinken, so verlangt ihm die Tätigkeit des Restaurators doch Vielseitigkeit und Ausdauer ab.

So verbrachte er jahrelang seinen Urlaub im Südosten Sri Lankas um eine von Räubern zerstörte Bodhisattva-Statue zu retten. Dabei hatte er nicht nur mit der Unwegsamkeit des Dschungels zu kämpfen, sondern auch mit dem mangelnden Sachverstand seiner Helfer. Doch der Künstler kann sich auf Dauer nicht mit wissenschaftlicher Arbeit begnügen.

Wer Rödl vor einer seiner Schöpfungen sieht, spürt eine Verwandlung. Er fühlt, was dieser Künstler mit seiner Definition von Kunst ausdrückt: »Kunst ist, die inneren Gefühle zum Ausdruck zu bringen.«

Ein perfekt umgesetztes Beispiel seiner Kunstdefinition ist »Ali, der Meisterdieb«.

 


Anna Sophie Gasteiger

Malerin und Mitbegründerin der Künstlerkolonie Holzhausen

 Silvana E. Schneider

Die Adjektive ruhig, sanft und lieb sind es, die sich beim Versuch, das Wesen Anna Sophie Gasteigers zu ergründen, immer wieder in den Vordergrund drängen.

Dass man damit ihrer vielschichtigen Persönlichkeit nicht gerecht wird, zeigt sich auch beim Lesen der persönlichen Briefe. Ein in lockerer und großzügiger Schrift verfasster Brief an ein Familienmitglied verrät Anna Sophies feine Beobachtungsgabe und sprüht geradezu vor Geist und Witz. Esprit – dieses Wort darf ihr unbedenklich zugeordnet werden. Sie war eine Frau mit Esprit.

Anna Sophie wurde am 26. Februar 1877 in Lübeck geboren. Der Vater war Architekt, die Mutter Hausfrau. Bereits in ihrer Heimatstadt entstanden – unter ihrem Mädchennamen Anna Sophie Meyer – erste Zeichnungen und Gemälde. Hier waren es vorwiegend Kircheninterieurs, die sie künstlerisch ansprachen.

Schon siebzehnjährig kam sie zum Studium nach München. Sie war zwanzig, als sie als Schülerin, bei Julius Exter in Deutenhofen bei Dachau, ihren späteren Mann – Mathias Gasteiger – kennenlernte. Es waren ereignisreiche Jahre im Leben der jungen Anna Sophie, auch im Hinblick auf ihr künstlerisches Schaffen. Sie arbeitete neben Textil- und Fliesenentwürfen an ersten Landschaftsdarstellungen, gestaltete Plakatentwürfe und Tapetenmuster. Während dieser Zeit zeigte sich ihre vielseitige Begabung wie kaum mehr später. 1898 wurde ein wichtiges Jahr für Anna Sophie. Sie heiratete Mathias Gasteiger und erhielt erste offizielle Anerkennungen ihrer künstlerischen Talente in Form von Wettbewerbspreisen. So zeichnete die Zeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“ ihre Fliesenentwürfe mit Preisen aus und würdigte einen Plakatentwurf.

 

Eine fruchtbare Künstlerehe begann. Fruchtbar auch für Mathias Gasteiger - einen der eigenwilligsten Bildhauer seiner Zeit - der mit Anna Sophie sein passendes Pendant gefunden hatte. Das Paar lebte auf dem Deutenhofener Landsitz das für diese Zeit typische Künstlerleben gehobener Kreise. Feste waren ein unverzichtbarer Bestandteil dieses Lebens und entsprachen Anna Sophies geselligem Wesen. Ihre lebensbejahende Art, ihr Witz und ihre Verbindlichkeit machten sie beliebt bei den Künstlerfreunden.

Sie war mittlerweile auch äußerlich voll erblüht, mit weichen, schönen Zügen und einer wohlgeformten Figur, die sie mit ausgesuchten Kleidern durchaus zu unterstreichen wusste. Für elegante Hüte hatte sie geradezu ein Faible und so sieht man sie auf den meisten Fotos aus dieser Zeit kaum ohne Hutmodell.

 

Am 10.Januar 1900 wurde Anna Sophie Mutter. Irene, das einzige Kind kam zur Welt. In erster Linie war Anna Sophie immer Künstlerin, daran änderte sich auch durch Irenes Geburt nichts. So begrüßte sie das Engagement ihrer Schwägerin Marie, die bald die zweite Mutterrolle übernahm. Das Verhältnis zwischen Anna Sophie und Marie war herzlich, sodass Irene in der liberalen Atmosphäre eines unkonventionellen Künstlerhaushalts aufwuchs.

Leider überschatteten finanzielle Probleme das Leben der Familie. Schloss Deutenhofen musste 1901 versteigert werden. Der Landsitz wurde nach Holzhausen am Ammersee verlegt, wo das idyllisch am Ufer des Sees gelegene Sommerhaus bald zum beliebten Ausflugsziel der Münchner Künstlerfreunde avancierte.

Anna Sophie verstand es, die Tradition der Sommerfeste am See fortzuführen; ihren ausgezeichneten Koch- und Backkünsten konnte kaum jemand widerstehen. Vor allem aber war es ihre auf Ausgleich bedachte Art, von der jede Gesellschaft profitierte.

Beeindruckt von der Ungestörtheit des Landlebens siedelten sich bald etliche weitere Künstler am Ammersee an. Eduard Thöny, der Simplicissimus-Zeichner kaufte das Nachbargrundstück.

Anna Sophie Gasteiger hatte sich längst aus dem kunstgewerblichen Schaffen zurückgezogen. Hier in Holzhausen lebte sie praktisch mitten in ihren Motiven: Sie widmete sich fast ausschließlich dem Malen von Blumenbildern. Diese Spezialisierung ließ sie eine Perfektion erreichen, deren flüssiger Malstil auf hohen künstlerischem Niveau anzusiedeln ist. Einen Ausgleich für ihr unermüdliches Schaffen fand Anna Sophie in der Gartenarbeit. Sie legte Blumenbeete rund um das Haus an, die sie selbst liebevoll pflegte, und arbeitete oft im eigenen Gemüsegarten. Auch der Kontakt zu den Münchner Künstlern wurde nicht vernachlässigt. Man traf sich im „Franziskaner“ beim Künstlerstammtisch oder lud ein an den Ammersee. Einer der Künstler, die oft und gerne an den See kamen, war Ludwig Thoma. Er verehrte Anna Sophie Gasteiger, widmete ihr zwei seiner Bücher.

Als sich auch Mitglieder der Künstlervereinigung „Scholle“ hier niederließen, war Anna Sophies inspiratives Umfeld perfekt. Die Künstlerkolonie Holzhausen war entstanden. Anna Sophie gelang es, zwei schwierige Rollen zu verbinden. Sie fungierte nicht nur als gesellschaftlicher Fixpunkt, wobei sie es verstand, sich selbst im Hintergrund zu halten, sie lebte auch die klassisch gediegene Frauenrolle ihres Standes und ihrer Zeit. Sie war Ruhepol und bewahrendes Element nicht nur innerhalb einer unkonventionellen Künstlergemeinschaft, sondern erfüllte diesen Anspruch auch in ihrer eigenen Familie. Darüber hinaus war sie es, die zeitweise - in späteren Jahren - mit ihrer Kunst für den Unterhalt der Familie sorgen musste. So wurden in den Kriegs- und Nachkriegszeiten nicht selten auch Handwerker mit ihren Bildern „bezahlt.“

Ab 1912 war Anna Sophie Gasteiger bei Ausstellungen im Münchner Glaspalast vertreten. In den Folgejahren wurde das Haus in Holzhausen ausgebaut und ein Grundstück im Münchner Stadtteil Nymphenburg erworben. Das darauf erbaute Atelier mit Ausstellungsräumen konnte 1921 fertiggestellt werden. Darin wurden, zusammen mit den Werken ihres Mannes, auch Anna Sophies Bilder ausgestellt. Es folgten weitere Ausstellungen in München und anderen Städten und Anna Sophies Bilder erlangten später noch große Popularität durch zahlreiche Reproduktionen.

 

Nach dem Tode ihres Mannes bezog Anna Sophie Gasteiger das Atelier in Nymphenburg als Stadtwohnung. Zwar wurden Teile des Bauwerks 1943 von einer Bombe beschädigt, die übrigen Gebäude konnten jedoch nach dem Krieg renoviert werden.

Anna Sophie Gasteiger starb am 16. Dezember 1954. Sie ruht auf dem Holzhausener Dorffriedhof – unweit des Künstlersitzes, welcher der Öffentlichkeit als Museums- und Ausstellungsort, zugänglich gemacht wurde.

 

 

 

 

 

 

 

 ©Silvana E. Schneider

 

 

 


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